Oxidativer Stress, Antioxidanzien und Training

Oxidativer Stress, Antioxidanzien und Training

Das menschliche Immunsystem hat einen schwierigen Job.

Sein Hauptaugenmerk liegt darauf, den Organismus vor fremden Eindringlingen (Pathogenen) zu schützen und damit gesund zu halten.

Es vollzieht dabei immer eine Gratwanderung zwischen hypervigilant und nicht vigilant genug.

Man spricht in diesem Kontext auch, von der intraindividuellen Konstitution des Immunsystem’s.

Interventionen auf Mikroebene via Ernährung, Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensweise unterstützen diese immunologische Konstitution und ermöglichen dem Immunsystem, sein empfindliches Gleichgewicht zu erhalten.

Mit anderen Worten: Die individuelle Robustheit und Schlagkräftigkeit des Immunsystems wird nicht etwa gewürfelt, sondern kann massiv beeinflusst werden. Aber wie baut man ein starkes und gesundes Immunsystem auf, warum ist das wichtig und welche Relevanz hat dies für sportliche Gesichtspunkte?

 

Das Immunsystem — Eine Einführung

Für eine optimale Funktionalität des Immunsystems bedarf es sowohl einer adäquaten Zufuhr von Makronährstoffen als auch Mikronährstoffen.

Ähnlich wie auf einer Baustelle liefern die Makronährstoffe dabei die nötigen Strukturelemente, während die Mikronährstoffe deren bedarfsgerechte Verwendung sicherstellen.

Wenn Du ein Haus bauen möchtest, müssen diese Strukturelemente oder metaphorisch gesprochen, Baumaterialien wie Beton, Steine oder Holz zunächst vorhanden sein.

Es nützt jedoch rein gar nichts, lediglich rohe Baumaterialien (Proteine, Fette, Kohlenhydrate) zu liefern ohne dabei gleichzeitig auch das nötige Personal zur Verfügung zu stellen.

Liefert man also statt 5 Säcken Beton plötzlich 20 Säcke, nützt das herzlich wenig, wenn niemand da ist, um diese Mengen Beton auch entsprechend zu verwerten.

Die Bauarbeiter sorgen auf der Baustelle also letztendlich dafür, dass ein Mehrwert geschaffen wird und die gelieferten Materialien adäquat verbaut werden.

Diese Aufgabe obliegt auf physiologischer Ebene den Mikronährstoffen, welche auch als die „Bauarbeiter unseres Körpers“ betitelt werden können.

Übersetzt in die Biochemie bedeutet das nicht anderes als: Die immunologische Funktionalität unseres Körpers hängt entscheidend von dem intraindividuellen Mikronährstoffhaushalt ab.

Mikronährstoffe wie Vitamin C, Zink oder Selen werden in diesem Kontext auch oft als Stoffwechsel Co-Faktoren, Pro-Enzyme oder Enzymaktivatoren bezeichnet.

Die Mikronährstoffe zählen dabei zur Kategorie des essentiellen Nährstoffe. Unser Körper ist damit nicht in der Lage, diese eigenständig zu synthetisieren, weshalb man auf eine exogene Zufuhr angewiesen ist.

Halten wir demnach fest: Erst im Verbund entfalten Mikro- & Makronährstoffe im Kontext des menschlichen Immunsystems ihr optimales Potenzial.

 

Mikronährstoffe und deren immunologische Bedeutung

Mikronährstoffe spielen für das menschliche Immunsystem eine entscheidende Rolle.

Im Zuge dieser Tatsache ist es jedoch wichtig zu verstehen, dass Mikronährstoffe auf Stoffwechselebene fast ausschließlich in Synergien interagieren.

Mehrere Mikronährstoffe — darunter Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente — übernehmen damit zusammen eine gemeinsame Aufgabe und arbeiten nur seltenst in Isolation.

Speziell im Rahmen der immunologischen Funktionalität zeigen Mikronährstoffe des Weiteren sogenannte additiv synergistische Effekte und Wirkungsweisen.

Das Stichwort ist hier: „Antioxidatives Potenzial“.

Das antioxidative Potenzial beschreibt die Fähigkeit, wie effektiv Oxidanzien im Körper neutralisiert werden können.

Liu konnte im Jahre 2004 veranschaulicht darstellen, dass Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe sich in ihrer Wirkung ergänzen und gegenseitig verstärken.

Bei der Untersuchung wurde die alimentäre Zufuhr einzelner Obstsorten mit einem Obstgemisch auf Basis antioxidativer Eigenschaften untersucht.

Bei gleicher Zufuhrmenge zeigte ein Obstgemisch dabei ein höheres antioxidatives Potenzial, als eine einzelne Obstsorte im Vergleich. 300g Obst bestehend aus 100g Heidelbeeren, 100g Apfel und 100g Orange schneiden aus immunologischer Schlagkräftigkeit damit besser ab, als beispielsweise 300g Apfel isoliert.

Gemeinsam erreichen Mikronährstoffe damit ein höheres antioxidatives Potenzial als Monosubstanzen.

In anderen Worten: „In der Gruppe sind sie stärker als im Alleingang“. Nachdem nun erste Grundgegebenheiten erläutert wurden, gilt es im folgenden, zwei der wohl prominentesten Begrifflichkeiten im Kontext des Immunsystems zu etablieren.

 

Antioxidanzien und Oxidanzien

Rund um das Thema „Immunsystem“ fallen wiederholt zwei prägnante Begrifflichkeiten, welche häufig im Mittelpunkt medialer Fokussierung stehen.

Diese sind kurzum: Antioxidanzien und Oxidanzien.

Ohne sich zunächst zu stark im Fachvokabular zu verstricken, lassen sich diese Begriff, auch einfacher erläutern.

Im Kontext des menschlichen Immunsystems gibt es zwei grundsätzliche Gegenspieler. Auf der einen Seite stehen die Antioxidanzien, welche synonymisiert auch oft als die „Guten“ dargestellt werden.

Dem gegenüber stehen wiederum die „Unruhe- & Chaos-Stifter“, auch bekannt als Oxidanzien oder Freie Radikale.

Diese wollen körpereigene Strukturen angreifen und „Schaden“ stiften. Wie im Märchen ist es also prinzipiell eine Geschichte zwischen „Gut“ und „Böse“.

Tauft man die Antioxidantien jetzt noch beispielsweise Vitamin C, Vitamin A, Glutathion, Selen oder Zink und erkennt dabei, dass Antioxidanzien somit den Mikronährstoffen zugeordnet werden können, sind die Grundbegrifflichkeiten bereits abgehakt und man befindet sich in Mitten der immunologischen Funktionsweise. 

 

Die Oxidative Balance

Um die Fachtermini „Antioxidanzien“ und „Oxidanzien“ nun in den entsprechenden Kontext zu setzen, sind deren Zusammenhänge beziehungsweise Wechselwirkungen entscheidend.

Unser Körper arbeitet immer nach verschiedenen Grundprinzipien.

Eines dieser Grundprinzipien lautet: Der Körper strebt immer danach ein Gleichgewicht zu schaffen — eine sogenannte physiologische Homöostase.

Dieses Prinzip behält auch im Kontext des Immunsystems seine Gültigkeit.

Bei einem gesund arbeitenden Immunsystem, herrscht immer eine Balance zwischen Oxidanzien und Antioxidanzien.

Visuell vereinfacht, lässt sich dies anhand einer Waage erklären. Grundsätzlich sollte die Waage sich also im Gleichgewicht befinden, so dass eine physiologisch adäquate Verhältnismäßigkeit zwischen Antioxidativen- und Prooxidativen-Substanzen besteht.

Dieses Gleichgewicht wird auch als die „Oxidative Balance“ bezeichnet. Sie impliziert, dass die Kapazitäten der körpereigenen Abwehrsysteme ausreichend sind, um die anfallenden Oxidanzien beziehungsweise Freien Radikale optimal zu neutralisieren.

Ein Zustand Oxidativer Balance wirkt sich dabei nicht nur positiv auf das Immunsystem aus, sondern ebenfalls auf individuelles Wohlbefinden, Energielevel, Regenerationskapazitäten und vieles weitere!

Erst wenn dieses beschriebene Gleichgewicht kippt, kommt es zu Komplikationen mit entsprechende Folgen.

 

Oxidativer Stress

Die Verschiebung des Gleichgewichts zugunsten der Freien Radikale (Oxidanzien), repräsentiert eine Diskrepanz und Ungleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr.

Unsere körpereigenen immunologischen Abwehrsysteme schaffen es in diesem Fall nicht mehr, die anfallenden oxidativen Substanzen ausreichend zu neutralisieren, woraus eine Dysbalance im Radikal-Haushalt evolviert.

Dieses beschriebene Ungleichgewicht zwischen Antioxidanzien und Oxidanzien — oder simplifiziert „Gut“ und „Böse“ — betitelt man letztendlich als „Oxidativen Stress“.

Im Kontext einer optimalen immunologischen Funktionalität lautet die entscheidende Frage damit immer:

Stehen Antioxidanzien und Oxidanzien im richtigen Verhältnis?

Das Phänomen Oxidativer Stress kann dabei sowohl durch eine vermehrte Bildung von Oxidanzien (Freien Radikalen) entstehen, als auch durch Unzulänglichkeiten der Abwehrsysteme (darunter Antioxidanzien) oder sogar einer Kombination aus beidem.

Wichtig zu verstehen ist jedoch, dass Oxidativer Stress grundsätzlich kein Zustand ist, der entweder da ist oder nicht.

Die Vorstellung man ist gegenüber Freien Radikalen entweder exponiert oder nicht, ist damit schlichtweg falsch.

Man bewegt sich hier immer entlang eines Kontinuums, weshalb Oxidativer Stress grundsätzlich als ein kontinuierlich reversibler Prozess angesehen werden muss.

Nichts desto trotz sollte man stets bestrebt sein, eine Entgleisung des Immunsystems zu vermeiden, da Oxidativer Stress ungewollte Nebenwirkungen entfachen kann.

 

Oxidativer Stress und potenzielle Folgen

Zahlreiche Krankheiten zeigen sich auf molekularer Ebene in Form von Oxidativem Stress.

Die vermehrte Akkumulation von Freien Radikalen im Organismus gilt dabei als der ursächliche Mechanismus.

Warum?

Freie Radikale besitzen ein oder mehrere freie Elektronenpaare und sind in ihrer Struktur daher recht instabil.

Ihr primäres Ziel ist es, sich die fehlenden Elektronen via Elektronenraub im Körper zu beschaffen, dadurch einen Ladungsausgleich zu generieren und in der Konsequenz eine stabile Struktur zu erzeugen.

Aufgrund dessen gelten Freie Radikale als sehr reaktionsfreudig und aggressiv (prooxidativ).

Auch freie Radikale streben somit letztendlich nach einem Zustand von Gleichgewicht (Homöostase), nehmen dafür jedoch entsprechenden Kollateralschaden rücksichtslos in Kauf.

Sie können verschiedenste Strukturen und Moleküle im Körper angreifen, darunter Proteinstrukturen von Muskel- und Bindegewebe, LDL-Cholesterin, DNA-Strukturen oder Zellmembranen.

Durch diese Interaktionen können im weiteren Verlauf potenzielle Folgekomplikationen wie Atherosklerose, Diabetes, Fettleber oder Entzündungen entstehen.

Wie kann das Risiko solcher pathophysiologischen Zustände nun verringert werden?

 

Das 1x1 der Antioxidativen Arbeitsweise

Wie bereits angesprochen, schützen Antioxidanzien unseren Körper vor radikalinduzierten Schäden.

Genauer betrachtet, tun sie dies, indem sie Oxidanzien mittels Elektronengabe neutralisieren.

Sie spenden also ein Elektron an das Freie Radikal und induzieren damit dessen Ladungsausgleich.

Damit verliert das Freie Radikal sein Interesse daran, den Körper anzugreifen und sich die Elektronen anderweitig zu beschaffen.

Die Funktionsweise der antioxidativ-enzymatischen-Abwehrsysteme ist in der Realität natürlich weitaus komplexer und tiefgründiger als der hier kurz beschriebene Mechanismus.

Es geht an dieser Stelle jedoch nicht darum, einzelne Enzymnamen oder deren Reduktions- beziehungsweise Regenerationsmechanismen zu kennen, sondern grundsätzliche Prinzipien zu verstehen und damit unter anderem medial getroffene Aussagen oder mögliche Studienevaluationen für eigene Zwecke besser interpretieren zu können.

Im Zuge populistischer Thesen werden Oxidanzien beispielsweise fast ausschließlich als gesundheitsbeeinträchtigend betitelt.

Sport und Bewegung gelten für das körperliche Befinden und Immunsystem hingegen als sehr förderlich.

Dabei führt sportliche Aktivität jedoch zunächst zu einer höheren Radikalexposition und -akkumulation im Körper.

Wie passen diese Gegensätze also zusammen?

 

Freie Radikale und Sport

Jegliche Form der Energieproduktion in unseren Zellen lässt automatisch Freie Radikale als physiologisches Nebenprodukt entstehen.

In unserem Körper liegt folglich immer eine gewisse Konzentration dieser Radikale vor.

Das ist sogar wichtig und notwendig. Der Körper nutzt freie Radikale nämlich unter anderem zur Bekämpfung von Bakterien oder kranken Zellen (Dröge, 2002).

Auch im Kontext von Training sind Freie Radikale von enormer physiologischer Bedeutung.

Hierbei fördern diese unter anderem die Anpassungseffekte und Leistungsentwicklung der Muskulatur.

Je höher dabei die körperliche Belastung und entsprechende Energieflussrate, desto höher die notwendige zelluläre Energieproduktion und desto höher damit die anfallende Radikalbildung im Körper (Alessio, 1993; McBride, Kraemer, Triplett-McBride & Sebastianelli, 1998).

Speziell bei Krafttrainingseinheiten welche primäre metabole Anpassungseffekte verfolgen, zeigt sich, durch die ausgelöste Reaktive Hyperämie eine vermehrte Akkumulation von Freien Radikalen (Bloomer, Smith & Fisher-Wellman, 2010).

Je höher also der induzierte Blutfluss, Laktatakkumulation und die damit assoziierte Sauerstoffnot, desto höher die Mengen an freien Radikalen.

Aber auch myofibrilläre Hypertrophieziele begünstigen eine höhere Radikalproduktion.

Je höher die Mikrotraumatisierung durch hohe mechanische Kräfte und die nachfolgend nötigen Reparaturprozesse, desto höher fällt auch die Radikalexposition aus.

Sport führt also zunächst unweigerlich zu einer vermehrten Radikalbildung. Völlig normal!

Jede induzierte Reaktion im Körper provoziert jedoch auch automatisch eine entsprechende Gegenregulation (Feedback Mechanismus des Körpers).

Kurz gesagt: Der Körper adaptiert!

Auf immunologischer Ebene bedeutet dies, dass der Körper auf die vermehrte Radikalbildung reagiert und die endogenen antioxidativen Schutzsysteme bewusst hochreguliert (Ji, 2002).

Dies kann als eine Art Schutzstrategie des Organismus, gegenüber künftigen Radikaleinflüssen angesehen werden.

Genau so wie die Muskulatur stärker oder die Knochen robuster werden, so wird auch das Immunsystem belastbarer.

Biochemisch ausgedrückt: Die Radikal-Toleranz und Resistenz gegenüber künftiger Radikaleinflüssen auf den Organismus wird auf natürliche Weise erhöht.

Sport wirkt damit „antioxidativ (Gomez-Cabrera et al., 2008).

Die positiven Effekte und Auswirkungen von Bewegung auf die Gesundheit und das Immunsystem sind damit unumstritten und auch wissenschaftlich nachgewiesen.

Damit ein „Medikament“ jedoch seine optimale Wirkung entfalten kann, muss es auch immer richtig dosiert verabreicht werden, sonst drohen Nebenwirkungen.

Ein Grundsatz der auch für das Medikament „Sport“ gilt.

Kontext und Individualisierung sind hierbei entscheidend!

 

Der individuelle antioxidative Bedarf

Jeder Körper ist einzigartig und individuell. Im Kontext von Training versteht jeder:

Was für den einen funktioniert, behält nicht automatisch auch für eine andere Person seine Gültigkeit.

Während Person A stark Dopamin dominant ist und grundsätzlich hohe Intensitäten toleriert, kann Person B hingegen eine genetische Serotonin-Dominanz aufweisen, welche es ihr erlaubt, weitaus hochvoluminöser zu trainieren.

Diese beschriebene bio- und neurochemischen intraindividuellen Unterschiede, werden bezüglich supplementärer antioxidativer Interventionen jedoch oftmals ad acta gelegt.

Schnell stolpert man hierbei über pseudowissenschaftliche Aussagen und Empfehlungen, welche vor „zu viel“ Antioxidanzien rund um das Training warnen.

Teilweise wird sogar propagiert, dass Trainingsadaptionen abgeschwächt oder gänzlich ausbleiben würden.

Distanziert man sich von solch pauschalisierten Aussagen und wirft einen Blick über den Tellerrand hinaus, wir schnell klar, dass solche Thesen alles andere als Individualisiert sind.

Wenden wir im Folgenden nun das erworbene immunologische Grundverständnis sachlich auf solche (oftmals) aus dem Kontext gerissenen Aussagen an.

Sport erhöht die antioxidativen Kapazitäten des Körpers. Ja, man wird grundsätzlich robuster!

Eine entsprechende Verhältnismäßigkeit zwischen Oxidanzien und Antioxidanzien ist jedoch weiterhin entscheidend.

Wer das Gaspedal öfter und länger durchdrückt, muss in der Konsequenz, auch öfters zum tanken anhalten.

Nicht anders verhält es sich mit dem individuellen Antioxidanz-Bedarf einer Person.

Die sportinduzierte Oxidative Last eines Profisportlers mit 20h Training pro Woche kann schlichtweg nicht, mit dem zwei stündigen Training eines wellnessorientierten Kunden gleichgesetzt werden.

Ohne an dieser Stelle despektierlich klingeln zu wollen, aber ein Bugatti Chiron verbraucht auf 100 km nun mal mehr Sprit als ein Fiat Punto.

Wer seinen Körper also weitaus mehr beansprucht und gegenüber freien Radikalen exponiert, muss diesen im Anschluss daran auch entsprechend pflegen und warten.

Denn: Der primäre antioxidative Schutz durch wasserlösliche Substanzen wie Vitamin C oder fettlösliche Substanzen wie Vitamin A oder E entsteht nicht aus „Luft & Liebe“ sondern muss, wie Eingangs erwähnt, exogen zugeführt werden. Fehlen diese Mikronährstoffe in den notwendigen Mengen, provoziert dies unweigerlich Nebenwirkungen wie eine Verringerung der regenerativen Kapazitäten oder eine Erhöhung der Verletzungswahrscheinlichkeit.

Manche Athleten reagieren auf provoziertes Übertraining teilweise auch mit einer deutlich erhöhten Infektanfälligkeit.

Auch der Körper eines Sportlers muss damit stets, mit den anfallenden Freien Radikalen umgehen können.

Ein etwas detaillierteres Beispiel soll im folgenden ein weitreichenderes und vollumfänglicheres Verständnis liefern.

 

Glutathion — Ein Beispiel

Neben den populären und direkten Antioxidanzien beziehungsweise Molekülen wie Vitamin C, Vitamin E oder Q10 besitzt unser Organismus ebenfalls verschiedene komplex arbeitende Systeme, welche für die endogene Regulation des zellulären Redoxstatus zuständig sind.

Zu den potentesten Vertretern zählt hier zweifelsohne das sogenannte Glutathion.

Oftmals bezeichnet man dieses auch als „Master-Antioxidanz“ des menschlichen Körpers.

Isoliert betrachtet, ist dieses Molekül ein Tripeptid, bestehend aus den drei Aminosäuren Glutaminsäure, Cystein und Glycin, welches primär in der Leber synthetisiert wird.

Diese Aminosäuren wollen und müssen zugeführt werden. Eines von zahlreichen Beispiele welches verdeutlicht, weshalb insbesondere der Makronährstoff Protein für eine optimale Funktionalität des Immunsystems entscheidend ist.

Vollumfänglich betrachtet, ist Glutathion jedoch Teil eines gesamten antioxidativ enzymatischen Systems.

Dieses „Radikalfänger-System“ umfasst im Kontext des Immunsystems neben Glutathion auch die antioxidativ wirksamen Enzyme Glutathion-Peroxidase und Glutathion-Reduktase.

Die Glutathion-Peroxidase ist zunächst für die erfolgreiche Katalyse zwischen Glutathion und Oxidanz essentiell.

Man bezeichnet dieses Enzym daher auch, als das stärkste antioxidative Enzym im Körper.

Nachdem Glutathion mit Hilfe der Glutathion-Peroxidase seine immunologische Aufgabe erfolgreich erfüllt hat, Reduktionsäquivalente (Elektronen) bereitgestellt hat und das Freie Radikal dadurch neutralisieren konnte, muss sich das Tripeptid im Folgenden jedoch einer entsprechenden „Wartung“ unterziehen. Bildlich gesprochen, fehlt dem Glutathion an dieser Stelle nämlich, dass zuvor freiwillig gespendete Elektron.

Das antioxidativ wirksame (reduzierte) Glutathion wird durch diesen herbeigeführten Zustand, sozusagen selbst zum Oxidanz transformiert.

Es entsteht das prooxidative Glutathion-Di-Sulfid. Dieses stellt im Idealfall jedoch nur ein Stoffwechsel-Zwischenprodukt mit entsprechend kurzer Halbwertszeit dar, da an diesem Punkt des Zyklus nun die Glutathion-Reduktase zur Tat streitet.

Mit Hilfe der Glutathion-Reduktase als Schlüssel-Enzym kann das prooxidative und aggressive Glutathion-Di-Sulfid, wieder neutralisiert werden.

Das Ergebnis dieser Reaktion ist schließlich wieder das (reduzierte) Glutathion, welches erneut seinen immunologisch antioxidativen Aufgaben nachgehen kann. Der Zyklus ist in der Theorie damit vervollständigt.

Die Realität und Praxis kann jedoch eine vollkommen andere sein! 

Abstrahierte Abbildung des Glutathion-System’s
(in grün die u.a. notwendigen Stoffwechsel-Co-Faktoren)

Damit dieses System reibungslos ablaufen kann, benötigt es neben den besagten Aminosäuren auch zahlreiche Mikronährstoffe als Stoffwechsel-Co-Faktoren.

Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse ist beispielsweise bekannt, dass die Glutathion-Peroxidase ein selenabhängiges Enzym ist (Hahn, Ströhle & Wolters, 2005).

Ausreichende Mengen von Selen sind damit für eine optimale Interaktion zwischen Glutathion und der Glutathion-Peroxidase nötig.

Die Glutathion-Reduktase benötigt für die erfolgreiche Regenerierung des prooxidativen Glutathion-Di-Sulfid’s hingegen die Bereitstellung von Vitamin B3 (Stahl & Heseker, 2008).

An dieser Stelle sei interessanterweise auch erwähnt, dass die Glutathion-Reduktase neben Niacin (Vitamin B3) ebenfalls Glukose und damit Insulin für eine optimale Funktionsweise benötigt (Pentosephosphatweg).

Insulin beziehungsweise dessen Funktionalität (Insulinsensibilität) spielt damit auch im Kontext des menschlichen Immunsystems eine zentrale Rolle.

Eine Optimierung der Insulinsensibilität durch Krafttraining und oder Körperfett-Reduktion ist nicht zuletzt deswegen auch sehr förderlich für die individuellen immunologischen Kapazitäten.

Summa summarum zeigt sich anhand dieses Beispiels abermals die Bedeutsamkeit einer adäquaten Mikronährstoff-Zufuhr, um eine Kompromittierung der immunologischen Leistungsfähigkeit zu verhindern. Mikronährstoffe beziehungsweise Antioxidanzien welche den reibungslosen Ablauf körpereigener antioxidativ wirksamer Abwehrmechanismen sicherstellen, müssen, wie eingangs erläutert, in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen.

Je höher nun der individuelle Anspruch an diese Abwehrsysteme ausfällt (zum Beispiel durch hochvoluminöse Trainingsphasen), desto höher steigt auch automatisch der Mehrbedarf an antioxidativ wirksamen Substanzen.

Diese bedarfsgerechte Versorgung muss, von außen sichergestellt werden, entweder alimentär oder supplementär.

Eine individualisierte und angemessene Zufuhr antioxidativ wirksamer Nahrungsergänzungsmittel kann für Sportler mit einem entsprechend hohem Trainingspensum, zur Stabilisierung des Redox-Status somit durchaus sinnvoll sein.

Der Anspruch des Trainings beziehungsweise Alltags diktiert dabei stets den notwendigen Bedarf. Der Stress des Trainings muss aufgrund dessen, immer individuell bewertet werden!

Je größer der provozierte oxidative Stress des Trainings, desto größer auch der potenzielle Vorteil einer Bereitstellung zusätzlicher Antioxidanzien.

 

Stimmen aus wissenschaftlichen Untersuchungen

An dieser Stelle noch einige Stimmen und Zitate, um die in diesem Artikel erläuterten Ausführungen, nochmals anhand wissenschaftlicher Untersuchungen zu legitimieren und den interessierten Leserinnen/Lesern entsprechende Denkanstöße bezüglich potenzieller Interferenzeffekte zwischen Antioxidanzien und individuellem Trainingseffekt zu liefern.

Zweifelsohne gibt es in der Literatur diesbezüglich gegensätzliche und inkonsistente Ergebnisse.

Studien müssen hierbei jedoch immer entsprechend evaluiert und in einen individuellen Kontext gesetzt werden.

Ein Beispiel: Auf Basis von Roberts et al. (2011) zeigen Untersuchungen beim Menschen beispielsweise keine negativen Effekte einer vierwöchigen ergänzenden oralen Supplementierung von Vitamin C (1g) auf die trainingsinduzierte Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max). Observationen bei Ratten zeigen hingegen, dass Antioxidanzien die trainingsinduzierte Steigerung der mitochondrialen Biogenese abdämpfen können.

Zusammenhanglos und aus dem Kontext gerissen, könnte die populistisch angehauchte Überschrift eines Artikels damit lauten:

Antioxidanzien verhindern den Fortschritt im Ausdauersport!

Beobachtungen anhand von in vivo Untersuchungen an Ratten, werden kurzerhand, auf den lebenden menschlichen Organismus analog übertragen. Zugegebenermaßen ein etwas obszön gewähltes Beispiel, in der Realität jedoch ein oftmals profaner Ansatz, um Aufmerksamkeit mittels pseudowissenschaftlicher Erkenntnisse zu erlangen.

Daher der wiederholte Appell sich nicht ad hoc den oftmals nebulösen und verwässerten popkulturellen Sichtweisen hinzugeben.

Im Kontext ausdauerorientierter Sportarten an dieser Stelle noch ein Zitat aus einem renommierten Review erschienen im Jahre 2016: „Daher könnte das Ausmaß, in dem die mitochondriale Biogenese durch die Supplementierung mit Antioxidantien beeinflusst wird, von zahlreichen Faktoren abhängen, darunter Dauer und Zeitpunkt der Supplementierung, Art des Antioxidanz und Parameter des Trainingsprotokolls“ (Merry & Ristow).

Kontext und Individualisierung sind damit essentiell.

Keine Erkenntnis welche an dieser Stelle des Artikels mehr für Überraschung sorgen sollte. Cobley et al. (2011) betont in diesem Kontext ebenfalls, dass „eine längere Supplementierungsperiode (von Antioxidanzien) in Turniersituationen von Vorteil sein kann, in denen mehrere hochintensive Trainingseinheiten kurz hintereinander absolviert werden“.

Ein Zitat, welches ebenfalls unterstreicht, warum pauschalisierte Aussagen in Punkto Nahrungsergänzung (darunter auch Antioxidanzien) niemals zielführend sind und einer von zahlreichen Aspekten, weshalb sich die YPSI-Philosophie bewusst, von solch generalisierten Statements distanziert.

Eine situativ und bewusst erhöhte temporäre supplementäre Zufuhr von Antioxidanzien in Zeiten einer Turnierperiode zur Konservierung der Leistungsfähigkeit und Stabilisierung der Belastbarkeit eines Sportlers, kann nicht mit einem Ansatz verglichen werden, bei dem willkürlich erhöhte Dosierungen antioxidativer Monosubstanzen (z.B. Vitamin C), auf Basis von Versuch und Irrtum angewendet werden.

Ebenso kann der trainingsinduzierte oxidativer Stress eines Profi-Sportlers oder eines allgemein sehr leistungsambitionierten Kunden, nicht mit der Gesamt-Radikal-Produktion eines eher wellnessorientierten Kunden gleichsetzt werden. Dieser Fakt gilt auch in der Literatur, als ein mehrfach angesprochener Kritikpunkt, so dass Studiengruppen oder Trainingsbedingungen oftmals nicht repräsentativ genug sind.

Trainingsintensitäten auf einem Fahrradergometer oder Laufband unter Laborbedingungen, ähneln keinen realen Wettkampfbedingungen oder Trainingseinheiten in denen Intensitätsgrenzbereiche erreicht werden.

Eine spannende Studie, welche die tatsächlichen Wettkampf- und Trainings-Bedingungen von Profi-Athleten realitätsnah widerspiegelte, erschien jedoch im Jahre 2000 im International Journal of Sports Medicine.

Schröder et al. untersuchten hierbei die Wirkungen einer ergänzenden Zufuhr von Antioxidanzien (Vitamin E, Vitamin C & Beta Carotin) bei professionellen Basketballspielern (1te Spanische Liga) während gewohnter Trainings- und Wettkampftätigkeiten.

Die Athleten absolvierten während des Interventionszeitraums acht bis zehn Trainingseinheiten und ein bis zwei Spiele pro Woche.

Die Forscher berichten nach den vorgenommenen Analysen, dass „die beobachtete Verbesserung des oxidativen Stress-Status in der Supplementgruppe eine günstige Wirkung der Antioxidantien-Supplementierung auf oxidative Schäden bei hochtrainierten Basketballspielern nahelegt“.

Ebenfalls wird auf einen „extrem hohen antioxidativen Verbrauch der Athleten“ hingewiesen.

Bei Literaturrecherchen zu dieser Thematik fällt grundsätzlich auf, dass die absolute Mehrzahl der veröffentlichten Publikationen im Rahmen von Training mehr ausdauer- statt kraftorientierte Interventionen fokussiert.

Manche Studien haben jedoch, jüngst versucht, auch die Wirkungen einer Supplementierung von Antioxidanzien auf induzierte Muskelhypertrophie zu untersuchen.

Paulsen et al. (2014) konstatiert dabei, dass „beim Menschen eine Vitamin-C/E-Supplementierung während des Widerstandstrainings die Hypertrophie bei jungen Teilnehmern nicht zu beeinflussen scheint.

In Punkto Regeneration zeigten Lamb und Westerblad im Jahre 2011 zudem, dass „ die Manipulation von ROS (freien Radikalen) die Entwicklung und Erholung von muskulärer Ermüdung beeinflussen kann“ und „die Behandlung mit Reduktionsmitteln (Antioxidanzien) die kurzfristige Muskelfunktionalität und Muskelleistung verbessern kann“. 

 

Zusammenfassung

Alles in allem zeigt die Literatur aktuell keinen einheitlichen Konsens bezüglich der Wirkung einer Nahrungsergänzung mit Antioxidanzien auf trainingsspezifische Anpassungen.

Für nahezu alles findet sich sowohl Pro und Kontra. Fakt ist jedoch, dass das individuelle Training und die damit individuell provozierte oxidative Last bewertet werden muss.

Denn: Je höher die ROS-Produktion während des Trainings, desto potenziell vorteilhafter und sinnvoller eine ergänzende Zufuhr antioxidativ wirksamer Substanzen, um unerwünschte immunologische Nebenwirkungen zu verhindern.

Wissenschaftler geben sogar offen zu, dass „gezieltere (Studien)Ansätze erforderlich sind, um die Wirkung von ROS (freien Radikalen) und Antioxidantien auf bestimmte Trainingsanpassungen wirklich zu verstehen“.

Aufgrund oftmalig auftretender zweideutiger Erkenntnisse, neigen viele Autoren jedoch schnell dazu die Verwendung von antioxidativ wirksamen Nahrungsergänzungsmitteln abzulehnen.

Ziel dieses Artikels ist es keinesfalls, die bestehende Zweideutigkeit und teilweise stark differenzierenden Studienergebnisse zu verschleiern oder anhand von „cherry-picking“ die klare Befürwortung von antioxidativen Nahrungsergänzungsmitteln zu beteuern.

Vielmehr soll dieser Artikel auf Basis der aufgezeigten immunologischen Zusammenhänge und Studienergebnisse, den Leser zur einer vielschichtigeren Denkweise motivieren.

Kein engstirniges Schubladendenken sondern rationales und kritisches Hinterfragen von verallgemeinerten Aussagen, welche in vielen Fällen undurchsichtig sowie unseriös sind.

Dies gilt auch für die multidirektionalen Wechselwirkungen bezüglich der Applikation von Antioxidanzien und Sport. Kontext ist hierbei „king“!

Der individuelle antioxidative Bedarf eines Sportlers

Um den Tonus des letzten Absatzes nochmals aufzugreifen und zum Abschluss noch einen weiteren perspektivischen Einblick („klinische Perle“) für Trainer zu liefern, die über den Tellerrand hinaus blicken, folgender Denkanstoß:

Mit welchen Personen beziehungsweise Sportarten ein Coach primär zusammenarbeitet, sollte wohlmöglich ebenfalls in Überlegungen bezüglich potenzieller antioxidativ wirksamer Supplement-Interventionen, einbezogen werden.

Denn: Die individuelle Muskelfaserverteilung eines Athleten scheint ebenfalls, eine tragende Rolle zu spielen, wie hoch die individuelle Produktion von freien Radikalen letztendlich ausfällt.

Personen die genetisch mit einem höheren Anteil an Fast-Twitch-Fasern ausgestattet sind und eher explosivkraftbetonteren Sportarten zugeneigt sind, neigen wohlmöglich zu einer höheren Radikalproduktion, als slow-twitch-dominantere Personen (Quindry et al. 2011).

 

In diesem Sinne: Viel Erfolg bei der Optimierung der personenspezifischen immunologischen Leistungsfähigkeit, dem individuellen Einsatz von antioxidativ wirksamen Nahrungsergänzungsmitteln und der damit einhergehenden konstanteren Progression bei zeitgleicher Vermeidung unerwünschter gesundheitlicher Nebenwirkungen!

 

Referenzen:
Hahn, A., Ströhle, A. & Wolters, M. (2005). Ernährung. Physiologische Grundlagen, 
Prävention, Therapie. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
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